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GENETISCHE DIVERSITÄT

 

BESCHREIBUNG GENETISCHER DIVERSITÄT
    1. Bestimmung genetischer Ähnlichkeit / Distanz
        1.1. Phänotypische Ähnlichkeit
        1.2. Verwandtschaft (Pedigree, coefficient of parentage)
        1.3. Molekulare genetische Marker
    2. Darstellungsmethoden
        2.1. Genetische Distanz
        2.2. Clusteranalyse / Dendrogramm
        2.3. Multidimensional Scaling (MDS)
LITERATUR


BESCHREIBUNG GENETISCHER DIVERSITÄT

Neben der direkten Selektion von Genotypen haben auch die Bestimmung der genetischen Distanz zwischen einzelnen Genotypen und die Beschreibung der genetischen Diversität in Populationen insgesamt eine große Bedeutung für die Züchtung. Damit ist es möglich, die Vielzahl der in Zuchtprogrammen vorhandenen Genotypen zu gruppieren und überschaubar zu strukturieren. Aufgrund derartiger Strukturierungen kann z.B. die Auswahl von Kreuzungseltern erfolgen.
 


1. Bestimmung genetischer Ähnlichkeit / Distanz

Die genetische Distanz ist ein Maß für Ähnlichkeit oder Verwandtschaft zwischen Genotypen. Distanz und Ähnlichkeit werden oft wechselweise verwendet (Distanz = 1 – Ähnlichkeit), Distanz ist sozusagen das Gegenteil der Ähnlichkeit.


1.1. Phänotypische Ähnlichkeit
Zunächst kann genetische Distanz einfach phänotypisch ausgedrückt werden. Mit Hilfe von standardisierten Merkmalswerten kann damit eindimensional oder multidimensional eine Distanz zwischen Genotypen berechnet werden. Diese spiegelt nur ungefähr die genetischen Verhältnisse wieder, hängt dagegen u.U. stark von den Umweltverhältnissen ab, welche die phänotypischen Meßwerte modifizieren können.


1.2. Verwandtschaft (Pedigree, coefficient of parentage = cop)
Aufgrund der Verwandtschaftsverhältnisse von Genotypen (z.B. Schwesterlinien mit einem oder mehreren gemeinsamen Eltern oder Großeltern usw.) kann die genetische Distanz genauer erfaßt werden. Dabei wird ein sog. coefficient of parentage (cop, "Elternschaftskoeffizient") zwischen 2 Sorten aufgrund ihrer jeweiligen Stammbäume errechnet.

Diese Berechnung basiert auf folgenden Annahmen:
1. Eine Sorte aus einer bestimmten Kreuzung erhält jeweils die Hälfte der Gene von den beiden Eltern.
2. Zwei Sorten, die einen gemeinsamen Elter aufweisen, haben also rein statistisch an 50 % der Genorte die gleichen Allele, also cop=0.5. Zwei Sorten mit einem gemeinsamen Großelter haben 25 % der Genloci gemeinsam, also cop=0.25. Dagegen haben zwei Sorten ohne gemeinsame Vorfahren einen cop von 0.
3. Für eine direkte Selektion aus einer Sorte wird ein cop von 0.75 angenommen.
4. Weiters wird vorausgesetzt, daß alle Vorfahren nicht miteinander verwandt und alle Sorten, Vorfahren bzw. Elternlinien homozygot und homogen sind.
Die Genauigkeit der so ermittelten cop-Werte (diese sind Wahrscheinlichkeitswerte) erfährt jedoch eine wesentliche Einschränkung, die auf die Selektion innerhalb der Kreuzung zurückzuführen ist, wodurch oft die Allele eines der beiden Eltern bevorzugt selektiert werden. Auch genetische Drift und unbekannte (nicht berücksichtigte) Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Eltern führen dazu, daß der errechnete cop-Wert von der tatsächlichen genetischen Distanz mehr oder weniger stark abweicht.


Beispiel: cop-Werte zwischen Österreichischen Qualitätsweizensorten
aufgrund ihrer Pedigrees (vereinfachte Berechnung bis zu Großeltern)


1.3. Molekulare genetische Marker
Molekulare Marker (Proteinmarker oder DNA-Marker) zur Bestimmung der genetischen Distanz haben gegenüber den phänotypischen Markern zunächst einmal den Vorteil, daß sie unabhängig von Umwelteinflüssen sind. Weiters beschreiben molekulare Marker die tatsächlichen Verhältnisse auf bestimmten Genloci und nicht bloß wahrscheinliche Verhältnisse, wie dies in der Berechnung der cop-Werte geschieht. Im Gegensatz zu cop-Werten sind auch keine Stammbauminformationen erforderlich, die u.U. unvollständig oder falsch sein können.
Wenn molekulare Marker in genügender Dichte vorhanden sind, ist ein Großteil des Genoms darstellbar, womit die Schätzung der Distanz zwischen Genotypen sehr genau wird. Zur Berechnung der genetischen Distanz wird für jeden Marker das Vorhandensein bestimmter Banden tabellarisch binär (1 und 0, Bande ist vorhanden oder abwesend) dargestellt, sodann werden alle paarweisen Distanzen zwischen Genotypen aufgrund bestimmter Distanzmaße (unterschiedlich je nach Markertyp, z.B. "Nei & Li") ermittelt.
 


2. Darstellungsmethoden

2.1. Genetische Distanz
Die genetische Distanz ist am einfachsten tabellarisch (als Distanzmatrix) darstellbar, jedoch werden solche Tabellen rasch unübersichtlich und unbrauchbar, wenn die Anzahl der Genotypen höher wird. Ein Sortiment von 60 Sorten führt bereits zu einer Anzahl von 1770 paarweisen Distanzen und damit zu einer sehr großen Tabelle.


2.2. Clusteranalyse / Dendrogramm
Mit Hilfe von Clusteranalysen ist es ganz allgemein möglich, eine Vielzahl von ungeordneten Objekten aufgrund von Ähnlichkeit und sachlicher Verwandtschaft in kleine, homogene Gruppen zu zerlegen und somit zu klassifizieren. Dabei wird zwischen den zu beurteilenden Objekten, die in ihren Merkmalen mit Hilfe einer Datenmatrix beschrieben werden, zunächst nach bestimmten Algorithmen paarweise die Ähnlichkeit dieser Objekte gemessen, danach werden in einem zweiten Schritt mit Hilfe dieser Ähnlichkeiten Gruppen gebildet, wobei der Abstand zwischen Objekten innerhalb einer Gruppe stets kleiner ist als zwischen den Gruppen. "Ähnliche Objekte" sind folglich solche, die nach Berücksichtigung aller ihrer Merkmale in der gleichen Gruppe zusammengefaßt werden, "unähnliche Objekte" gehören verschiedenen Gruppen an.  Ergebnisse von Clusteranalysen werden meist als Dendrogramme ("Baumdiagramme") dargestellt.
Die Anwendung der Clusteranalyse in der Pflanzenzüchtung ist etwa in der Kreuzungszüchtung sinnvoll, wenn es gilt, genotypisch möglichst unterschiedliche Kreuzungseltern zu finden, um in deren Nachkommenschaften eine starke Aufspaltung zu erreichen; auch bei der Selektion in Linienpopulationen, wo für eine große Anzahl von Linien viele Einzelbeobachtungen in der Selektionsentscheidung Berücksichtigung finden sollen, oder im Rahmen der Evaluierung von Genbankherkünften kann mit einer Clusteranalyse das Material auf überschaubare Gruppen eingeengt und damit eine Vorselektion durchgeführt werden.
In letzter Zeit werden Clusteranalysen häufig verwendet, um Genotypen mittels molekulargenetischer Marker wie RFLPs, RAPDs od. SSRs (Mikrosatelliten) nach deren genetischer Distanz zu gliedern (z.B. UPGMA-Methode).


Beispiel 1: Dendrogramm von 18 Sojabohnengenotypen nach Bestimmung der genetischen Distanz mittels molekularer Marker (UPGMA clustering of RAPD (Jaccard) + SSR (Nei and Li) data, weighted genetic distance; aus: Doldi et al., 1997)
 
 


Beispiel 2: Dendrogramm von 60 Weizensorten aus Ungarn, Österreich und Deutschland nach Bestimmung der genetischen Distanz mittels eines Mikrosatellitensets (UPGMA clustering of SSR (Nei and Li) data; aus: Stachel et al., 2000)


2.3. Multidimensional Scaling (MDS)
MDS ist eine multivariate Methode zur Darstellung der Ähnlichkeit/Unähnlichkeit von beobachteten Objekten (z.B. Genotypen) in einem n-dimensionalen, euklidischen Raum (z.B. n=2 oder 3), wobei die Abstände zw. den Objekten so gut als möglich den beobachteten Abständen in einer Distanzmatrix entsprechen sollen.
Prinzip: Von einer Distanzmatrix oder Anfangskonfiguration ausgehend wird iterativ eine monotone Funktion für vorgegebene n Dimensionen angepaßt (ähnlich wie z.B. bei Principal Component Analysis PCA), bis ein Konvergenzkriterium erreicht ist. Die Qualität der Anpassung wird mittels einer eigenen Statistik (stress) überprüft; je geringer der "STRESS", desto besser die Anpassung.

Vorteile gegenüber der Clusteranalyse:
Die genetische Distanz ist bei MDS zwischen allen Einzelobjekten sichtbar und nicht nur zwischen wenigen einzelnen, bevor diese in der hierarchischen Clusteranalyse im Dendrogramm zu einer Gruppe verschmelzen.

Vorteile gegenüber Principal Components:
Ergebnisse von MDS sind denen der PCA ähnlich. Jedoch werden die kleineren Abstände zwischen Punkten durch MDS wesentlich besser wiedergegeben als durch PCA. In PCA sind die erste, zweite, dritte usw. Komponente abnehmend nützlich für die Erklärung der Gesamtvariation, in MDS sind alle Dimensionen gleich wertvoll, weshalb genetische Distanzen wirklichkeitsgetreuer und weniger verzerrt wiedergegeben werden können.


Beispiel : Multidimensional Scaling von 60 Weizensorten aus Ungarn, Österreich und Deutschland nach Bestimmung der genetischen Distanz mittels eines Mikrosatellitensets (nach: Stachel et al., 2000)

Beispiel : Multidimensional Scaling von 10 österr. Qualitätsweizen (AQ) und 10 Futterweizen (AF) aufgrund von genetischen Distanzen durch Mikrosatelliten-Polymorphismen (nach: Stachel et al., 2000)








LITERATUR

DOLDI, M.-L., J. VOLLMANN & T. LELLEY, 1997, Genetic diversity in soybean as determined by RAPD and microsatellie analysis, Plant Breeding 116: 331-335.
KARP, A., P. G. ISAAC & D. S. INGRAM, 1998, Molecular tools for screening biodiversity, Chapman & Hall, London.
LEBEDA, A. & T. JENDRULEK, 1987, Cluster analysis as a method for evaluation of genetic similarity in specific host - parasite interaction (Lactuca sativa - Bremia lactucae), Theor. Appl. Genet. 75:194-199.
NEI, M. & W. H. LI, 1979,  Mathematical model for studying genetic variation in terms of restriction endonucleases, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 76:5269-5273.
RUCKENBAUER, P., 1976, Cluster-Analysen und ihre Möglichkeiten zur Erfassung von Komplexeigenschaften in der Getreidezüchtung, Arbeitstagung, Arbeitsgemeinschaft Saatzucht-leiter Gumpenstein, 157-168.
STACHEL, M., T. LELLEY, H. GRAUSGRUBER & J. VOLLMANN, 2000, Application of microsatellites in wheat (Triticum aestivum L.) for studying genetic differentiation caused by selection for different adaptation and use, Theor. Appl. Genet. 100: 242-248.
VERONESI, F. & M. FALCINELLI, 1988, Evaluation of an Italian germplasm collection of Festuca arundinacea Schreb. through a multivariate analysis, Euphytica 38:211-220.

Siehe auch: "Selektion"

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