Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung - 5.
April 2001
verfasst von Thomas MORITZ
und Daniel NIGG
(mit Fotos und Grafiken ergänzt von Heinrich Grausgruber)
Der Getreideanbau hat in unseren Breiten eine Reihe von Funktionen zu erfüllen: neben dem Ertrag spielen vor allem qualitative Parameter eine entscheidende Rolle. Dies gilt besonders für das Getreide, welches für die Nahrungsmittelproduktion im Allgemeinen, und im Speziellen für die Brotherstellung Verwendung findet.
Die österreichische Mühlenvereinigung hat sich
zur Aufgabe gemacht, die Qualitätsmerkmale der Getreidearten Weizen
- Weichweizen (Triticum aestivum) und Durum (T. durum) und
Roggen (Secale cereale) zu untersuchen.
Der Begriff „Backqualität“ ist ein sehr komplexer
und wird in verschiedenen Ländern unterschiedlich definiert, da jedes
Land seine eigene Brotkultur aufzuweisen hat. Die Hauptkriterien sind jedoch
in allen Ländern gleich: Proteinmenge, Proteinqualität, Stärkebeschaffenheit.
Zielgruppen der Versuchsanstalt für Getreidewirtschaft:
Unternehmen in den Bereichen:
o Getreide (Züchtung, Produktion, Lagerung, Handel)
o Vermahlung (Mühlen) und Weiterverarbeitung (Bäckereien)
o Futtermittelproduktion
o Projekte im Rahmen des Forschungsförderungsfonds
der gewerblichen Wirtschaft (FFF)
o Direktvermarkter
Aufgabenbereiche der Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung:
Beratung:
a. Produktionsbegleitende Beratung und Unterstützung
b. Qualitätssicherung
c. Erhöhung der Produktivität
d. Konzentrierte Bereitstellung von österr. und
intern. 'know how'
e. Kombination mit anderen Technologien (AcR-Gruppe Lebensmittel)
Prüfung:
a. Qualitätsprüfung und Beurteilung von Getreide,
Mahlprodukten und Brot
Entwicklung:
a. Produkt- und Verfahrensentwicklung am Mehl- und Backwarensektor
Weiterbildung:
a. Seminare und Einzelausbildungen für Analytik
und Lebensmittelrecht
Bevor wir uns den einzelnen Untersuchungen widmen, sollte der grundsätzliche Aufbau eines Getreidekornes am Beispiel des Weichweizens nochmals in Erinnerung gerufen werden:
Der Weizenmehlkörper (Endosperm) besteht aus Fett (1,5 – 2,5%), Protein (8 – 18%) und Kohlenhydrate (70 - 80%). Die Proteinfraktion besteht zu etwa 20% aus Albuminen und Globulinen (Proteine mit metabolischer und struktureller Funktion) und zu etwa 80% aus Speicherproteine. Von den Speicherproteinen sind wiederum etwa 40-50% Gliadine und 30-40% Glutenine, die für die Aggregatbildung verantwortlich sind.
Welche Qualitätseigenschaften sind für welche Getreideart entscheidend?
Weichweizen:
Ein wesentlicher Aspekt des Weizens ist die Backfähigkeit.
Die Backeigenschaften des Mehls werden von der Teigausbeute und der Gleichmäßigkeit
der Porung des Gebäckes bestimmt; auch äußere Eigenschaften
wie etwa die Krustenbildung, sind von Bedeutung: erwünscht ist eine
elastische Kruste.
Bei der Beurteilung der Teigausbeute geht man von 100
g Mehl aus, und stellt fest, welches Brotvolumen ausgedrückt in ml,
hieraus erzeugt werden kann.
Semmel hergestellt aus Weizen niedriger Qualität (geringes Volumen, schlechter Ausbund) | Semmel hergestellt aus Mehl eines Qualitätsweizens (hohes Volumen, guter Ausbund) | Vorrichtung zur Messung des Backvolumens |
Grundlage der Backqualität sind Klebergehalt und Kleberqualität. Die Kleberqualität wirkt sich in erster Linie im physikalischen Verhalten des Teiges während des Gärungsvorganges aus. Liegt eine hohe Kleberqualität vor, so entwickelt der Teig einen deutlichen Widerstand gegen den Druck der Gärgase, wodurch es zu einer Volumenvergrößerung kommt, ohne dass der Teig aufreißt.
Weiters wird beim Weizen die Wasseraufnahmefähigkeit des Mehls (Farinograph), die Dehneigenschaften (Extensograph), sowie die Viskosität des Stärkekleisters (Fallzahl) gemessen.
Parameter zur Beschreibung der Weizenqualität:
(für die rot gekennzeichneten Parameter sind bei
der Sortenzulassung Mindestausprägungen zu erreichen)
Indirekte Parameter | Farinogramm | Extensogramm | Backversuch |
Rohprotein | Wasseraufnahme | Wasseraufnahme | Wasseraufnahme |
Feuchtkleber | Teigentwicklung | Dehnbarkeit | Teigverarbeitung |
Strukturquellzahl | Teigstabilität | Dehnwiderstand | Gebäckgewicht |
Quellzahl | Qualitätszahl | Verhältniszahlen | Gebäckausbeute |
Kleberabbau | Teigerweichung | Teigenergie | Backvolumen |
Wertzahl | Valorimeterzahl | ||
Sedimentationwert n. Zeleny | |||
Fallzahl n. Hagberg |
Roggen:
Grundlage des Roggens in seiner Funktion als Backgetreide ist nicht wie beim Weizen der Kleber (Roggen enthält keinen dem Weizen entsprechenden Kleber), sondern neben der Stärke das Vorhandensein und die Qualität von sogenannten Schleimstoffen (Pentosane).
Die Stärke wird im Backvorgang durch ihre Verkleisterungsfähigkeit
wirksam. Die Pentosane (pektinartige Verbindungen) ermöglichen aufgrund
ihrer Quellfähigkeit die Teigbildung, und führen im Backvorgang
zur Strukturierung des Brotes. Die Stärkequalität wird über
das sogenannte Amylogramm bestimmt; die Fallzahl gibt Auskunft über
einen möglichen Auswuchs (a-Amylase Aktivität)
des Roggens.
Proben-Entgegennahme und Probenvorbereitung in der Versuchsanstalt:
Die Proben werden entweder direkt bei der Versuchsanstalt für Getreidewirtschaft abgegeben oder per Post zugesandt. Es sei in diesem Zusammenhang nur kurz darauf hingewiesen, dass die Probenziehung und die ordnungsgemäße Zusendung (auch Beschriftung) für die Untersuchung einer repräsentativen Probe wichtig sind.
In der Versuchsanstalt werden die Proben vermahlen. Die
technische Konzeption einer Mühle hängt in erster Linie von der
Struktur des Mahlgutes und vom Vermahlungsziel ab. Der einfachste Fall
ist eine Vermahlung von Getreide zu einem Vollkornschrot oder -mehl (in
der Versuchsanstalt mit Schlagkreuzmühlen durchgeführt), da keine
Separierung der Schalenschichten erforderlich ist.
Bei der Herstellung hellen Mehles ist die Vermahlungsstrategie
dahin ausgerichtet, dass die Kornstruktur zunächst unter Schonung
der Schalenanteile „aufgebrochen“ wird und gleichzeitig die Endospermzellen
aus der Schale „herausgelöst“ werden. Die großstückigen
Schalen werden dann als Kleie abgesiebt, die Endospermzellen stufenweise
weiter zerkleinert.
Zerkleinerungsmechanismen:
- Schroten: Grobes Zerkleinern von Getreide oder Kornbruchstücken
- Auflösen: Stufenweises Zerkleinern grober Grießteilchen
zu kleineren und Vermeidung des Splitterns der Schalenteile
- Ausmahlen: Zerkleinern schalenfreier Grieße oder
Dunste auf Mehlfeinheit
Labormühle zur Vermahlung von Weizenproben zur
Bestimmung des Sedimentationswertes |
Bühler-Walzenstuhl zur Vermahlung von Weizenproben zur Bestimmung des Ausmahlungsgrades und Mehlerzeugung für Backversuche |
Beschreibung einzelner Untersuchungen:
1. Rheologische Untersuchungen:
Farinogramm
Bei dieser Untersuchung werden die Kneteigenschaften des Teiges gemessen, der Knetwiderstand wird auf einer Kurve registriert.
Parameter:
Teigentwicklung:
Zeit von Beginn des Knetens bis zum höchsten „Punkt“ des Farinogramms.
Je länger die Entwicklung des Teiges desto besser.
Teigstabilität:
Ist der Bereich vom Erreichen der 500 FE (Farinograph-Einheiten) Linie
bis zum Verlassen dieser Linie. Sie ist als Parameter für die Resistenz
gegen kräftiges Kneten anzusehen. Auch sie soll möglichtst hoch
sein.
Teigerweichung (over
mixing Resistenz): wird 12 Minuten nach dem Maximum gemessen; Maßzahl
für die Überknetung
Weizen geringer Qualität kann durch Aufmischen mit
Qualitätsweizen sowohl in seiner Proteinqualität, als auch –
quantität verbessert werden.
Brabender Farinograph zur Bestimmung des Knetverhaltens
von Weizenteigen |
Farinogramm und Qualitätsparameter die zur Beurteilung
der Weizen-
qualität verwendet werden |
Extensogramm
Gemessen wird der Dehnwiderstand und die Energie des Teiges. Je höher der Widerstand, desto höher ist die Kleberqualität. Bei dieser Untersuchung wird der Teig jeweils 45 Minuten homogenisiert und anschließend bis zum Reißen gedehnt. Dieser Vorgang wird noch 2 mal wiederholt, wobei die Teigreifung jeweils zunimmt. Die 3. Kurve (nach 135 min. Teigruhe) wird ausgewertet. Mit zunehmender Teigreifung wird das Klebergerüst stabiler.
Parameter:
Dehnbarkeit:
Länge der Kurve in mm
Dehnwiderstand:
Höhe der Kurve nach 5 cm Dehnbarkeit und im Maximum (EE)
Teigenergie:
Fläche unter der Kurve (cm²) - wird mit einem Planimeter
festgestellt
Verhältniszahl:
Verhältnis von Dehnwiderstand (5 cm, Max.) zur Dehnbarkeit
Brabender Extensograph zur Bestimmung der Teigeigenschaften während des Gärprozesses | Bestimmung der Teigenergie (Fläche unter der Kurve) mit dem Planimeter und Parameter aus dem Extensogramm |
Durch Zusatz von Ascorbinsäure kann der Teigwiderstand erhöht werden, d. h. aus flachen Kurven werden steilere kürzere. Wenn dem Mehl Ascorbinsäure zugesetzt wird, muß dies auf der Verpackung deklariert werden.
Alveogramm
In letzter Zeit wird für Exportweizen auch verstärkt
eine Untersuchung mit dem Alveograph durchgeführt. Das Alveogramm
ist die Standarduntersuchungsmethode in Frankreich und Italien, die dem
Extensogramm ähnlich ist (beim Extensogramm kommt es zu einer uniaxialen
Teigdehnung, beim Alveogramm zu einer biaxialen).
Im Gegensatz zum Extensogramm ist dies ein Verfahren,
bei dem nicht Wasser in unterschiedlicher Höhe zugegeben wird, sondern
immer 50%. Der Teig wird mit Druckluft bis zum Platzen aufgeblasen und
der dabei entstehende Widerstand auf eine Kurve übertragen. Gemessen
werden Fläche (W), Höhe (P) und Länge (L) der Kurve sowie
das Verhältnis (P/L) zwischen Widerstand und Länge der Kurve.
Für den Export nach Italien wird von Qualitätsweizen ein W-Wert
von >280 und ein P/L Verhältnis von <0,8 gefordert.
Aufblasen von Teigblättchen mit dem Chopin-Alveograph | Charakteristisches Alveogramm eines Qualitätsweizens |
2. Weitere Qualitätsuntersuchungen
Fallzahl
Sie wird als Parameter für den Auswuchs bei Weizen
und Roggen verwendet. Dabei wird Mehl in Wasser aufgeschlemmt, 60 sec.
gerührt und im Wasserbad erhitzt. Bei diesem Vorgang verkleistert
die Stärke. Der Rührer sinkt je nach Enzymtätigkeit nach
unten.
Die Zeit des Rührens addiert mit der Zeit des Sinkens
des Rührers wird als Fallzahl bezeichnet. Auch zu hohe Fallzahlen
(z.B. > 300 sec. bei Roggen) sind ungünstig, da sie auf enzymarme
Mehle hinweisen, die im Backvorgang nicht genügend aufgehen. Geringe
Werte sind Ausdruck einer niedrigen Viskosität, und damit einer reduzierten
Verkleisterungsfähigkeit der Stärke (Ursache von Auswuchs). Die
Fallzahlen bei Weizen sind generell höher als bei Roggen (Weizen:
> 300 sec. ist als gut einzustufen (min. 220 sec.); Roggen: 150-200 sec.
günstig (< 100 sec. ® Auswuchs)).
Amylogramm
Wird ausschließlich in der Qualitätsuntersuchung von Roggen verwendet. Beim Amylogramm wird ähnlich wie bei der Bestimmung der Fallzahl vorgegangen. Mehl (80 g) wird mit Wasser (450 cm³ ) vermischt und langsam erhitzt (pro Minute soll die Temperatur um 1,5°C steigen). Es wird dabei der Widerstand, der beim Rühren entsteht, gemessen und auf eine Kurve übertragen. Die Stärke des Roggens beginnt zu verkleistern, was einen Anstieg der Kurve bewirkt. Ideal wäre eine hohe Kurve (ideal 500-600 AE).
Ein niedriger Amylogrammwert weist darauf hin, dass es
nur zu einer geringen Verkleisterung kommt, dadurch wenig Wasser im Brot
gebunden wird, es sich also beim Ausgangsmaterial um Auswuchsgetreide handelt.
Dieses Wasser verdampft beim Backen und führt dazu, dass sich die
Rinde des Brotes abhebt.
Ein zu hohes Amylogramm (>1000 AE) kann durch Zugabe
von Malzkeimen, welche die Enzymaktivität heben, korrigiert werden.
a-Amylasen sind sehr säureempfindlich;
daher kann Roggen auch mit einem Sauer gebacken werden. Wenn schwaches
Mehl (das ist Mehl mit einer geringen Amylogramm Zahl) verarbeitet wird,
muß der Teig stärker gesäuert werden.
Brabender Amylograph | Amylogramme zweier Roggensorten unterschiedlicher Qualität:
ohne Auswuchs
(schwarze Linie) und mit sichtbarem Auswuchs (strichlierte Linie) |
Kleber
Unter Kleber versteht man die Weizenproteinfraktionen
Gliadine und Glutenine. Der Teig wird mit Kochsalzlösung behandelt,
wobei die Stärke weggewaschen wird. Der Kleber wird in der Zentrifuge
getrocknet. Durch abwiegen wird der Feuchtklebergehalt in % bestimmt.
Ein zu heißes Trocknen des Getreides bewirkt, dass
der Kleber nicht elastisch ist.
Zeleny Sedimentationswert
Grob gemahlenes Weizenmehl wird in einer Milchsäurelösung
aufgequollen. Nach einer gewissen Zeit wird das sedimentierte Volumen am
Kolben abgelesen, und in der Zusammenschau mit dem Proteingehalt beurteilt.
Das Volumen wird in cm³ angegeben. Die Variationsbreite österreichischer
Weizen liegt zwischen <20 (Futterweizen) und >60 (Qualitätsweizen).
Glutomatic zum Auswaschen von Kleber | Zeleny Sedimentationswert |
Ausmahlungsgrad - Mehltype
Je höher der Ausmahlungsgrad, desto höher ist
der Aschegehalt und der Anteil des Proteins im Mehl; der Feuchtklebergehalt
hingegen nimmt ab. Dadurch nimmt das Backvolumen ab. Da aber das Backvolumen
ein wesentliches Kriterium der Backqualität ist, wird der Ausmahlungsgrad
regelmäßig mit ca. 75% (bezogen auf die Getreidemenge) begrenzt.
Der Eiweißgehalt des Mehls beträgt dann etwa 10 – 13%.